Das am meisten in Erinnerung gebliebene Einsatzereignis seit Bestehen der FF Baiersdorf ist natürlich die Überflutung unserer Stadt an jenem lauen Sommerabend am 21.Juli 2007:
Hier zunächst die Wetterlage, wie sie sich für den Deutschen Wetterdienst in München darstellte (s. auch gesonderten Bericht):
Wetterkarte:
Satellitenbild:
Wetterradar:
Niederschlagsmengen punktuell:
Man beachte den blauen Punkt bei Position 5 Uhr im Quadrat: Hier geht gerade die Welt unter...
Und so stellen sich diese nüchternen Zahlen und Grafiken
für diejenigen dar, die vor Ort waren...:
Eigentlich war unsere Feuerwehr für den Abend schon verplant, zuständig für die Logistik und Verpflegung beim Gospel-Open-Air im Areal der Hauptschule. Mehr als 1000 Besucher genossen den lauen Abend dort, viele andere Baiersdorfer auf der Terrasse oder im Garten.
Der herrliche Sommertag fand mit einem plötzlichen Starkregen ein dramatisches Ende, nachdem es ab 20:10 Uhr in einem kleinen, umschriebenen Bereich östlich der Regnitz innerhalb von vier Stunden mehr als 200 Liter pro Quadratmeter gerechnet hatte. .
Noch kann man in Baiersdorf lachen...
Zunächst waren verschiedene Feuerwehren der Stadt Baiersdorf nach Langensendelbach alarmiert worden, um Keller auszupumpen. Eine gigantische Flutwelle hatte sich von Marloffstein über Adlitz nach Langensendelbach ihren Weg gebahnt.
Aber schon nach kurzer Zeit hieß es: "Kommt schnell nach Hause...!", denn mit ungeheuerer Mengen und großer Kraft war das Wasser inzwischen über Igelsdorf hereingebrochen und strömte in unsere Stadt...
Igelsdorf
Baiersdorf
Die Wassermassen machten auch vor der Dreifachturnhalle nicht halt...
An über 1100 Einsatzstellen war unsere Hilfe gefordert, und dies dort oft mehrmals innerhalb der ersten Wochen nach der Katastrophe, die zahlreiche Verletzte forderte und einen Gesamtschaden von rund 86 Millionen Euro verursachte.
Als erste Maßnahme war wie auch in den Nachbarorten die Rettung, Evakuierung und Betreuung einer Vielzahl von Menschen notwendig: Über 200 Personen waren auf der Autobahn und 44 Reisende in einem Zug von den Wassermassen eingeschlossen, mehrere hundert mussten von überfluteten Gebäuden in trockene Notunterkünfte gebracht und dort versorgt werden.
Rettungskräfte aller Organisationen bahnen sich ihren Weg ins Katastrophengebiet
zwischen Baiersdorf und den benachbarten Gemeinden
...oft nicht ganz ungefährlich...
...die Einen mehr, die Anderen weniger erfolgreich...
Rettungsmaßnahmen auf der BAB A73
Langsam wird es hell, und das ganze Schadensausmaß erkennbar...
Eine koordinierte Hilfe durch enorme überörtliche Kräfte konnte danach nur noch nach Auslösen des Katastrophenalarms, der drei Tage aufrecht erhalten wurde, geleistet werden. Die Örtliche Einsatzleitung hatte dabei ihren Sitz in einem FüKomKW des THW Nürnberg und im ELW2 des Landkreises Erlangen-Höchstadt, rückwärtig unterstützt vom Katastrophenstab im Landratsamt. Dabei zeigte sich, dass Fahrzeuge wie der ELW2 auf Transporterbasis bei derartigen Einsatzlagen gerade in der Erstphase nicht besonders gut geeignet sind, da Fahrten durch höheres Wasser nicht möglich sind. Sicher sollte der ELW einerseits nicht genau im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Aber wenn Strom und Telefon ausgefallen sowie Straßen unbenutzbar sind, brauchen die Bürger eine Anlaufstelle, die sie zu Fuß erreichen können - und die nicht zu weit entfernt ist! Und das ist halt in diesem Moment die Feuerwehr, die dort sein muss, wo sie der Bürger braucht! Der mit Einsatzkräften der Feuerwehr besetzte FüKomKW des THW konnte zum Glück diesen Anforderungen gerecht werden.
Überwiegend galt es danach naturgemäß, Keller, Wohnungen, Tiefgaragen, öffentliche Gebäude und Gewerbebauten von Wasser, Öl und Schmutz zu befreien.
Die Unterführung am Bahnhof Baiersdorf mit dem Regionalexpress,
aus dem in der Nacht die Reisenden befreit werden mussten
Endzeitstimmung: Unser alter RW2 in seinem letzten Einsatz...
Nachbarschaftshilfe wurde in diesen Tagen groß geschrieben !
Auspumparbeiten und Notstromversorgung am Altenpflegeheim
Die schwer beschädigte Eisenbahnbrücke sorgte bis Oktober regelmäßig
für Verspätungen auf der ICE-Linie (München-)Nürnberg-Berlin(-Hamburg)
Abstützung an einsturzgefährdetem Gebäude
Innenminister Dr. Günter Beckstein informiert sich vor Ort
3 Brände durch Feuchtigkeit in Elektroverteilungen von Wohnhäusern konnten in der Entstehungsphase bekämpft werden, und auch ein umgestürzter Kamin, der ein Wohnhausdach beschädigt hatte, beschäftigte die Einsatzkräfte. 6 Austritte von Gas und Chemikalien bekämpften die Helfer ebenso wie Öl in Gewässern, das mit 7 Ölsperren in den Gewässern rund um die Stadt aufgefangen wurde.
Einsatz Rüstzug-Gefahrgut bei Ammoniakaustritt aus Kühlanlage
Ölsperren in allen Fließgewässern, hier im Schlangenbach bei Igelsdorf
Auch die Verpflegung und Versorgung der Einsatzkräfte und evakuierter Bürger musste sicher gestellt werden.
"Tank und Rast" in einer neuen Dimension ( - und es war Sommer...)!
Verpflegungsstelle für evakuierte Bewohner in der Grundschule
... und was gibt´s heute zu essen?
Zwei Wochen lang wurden in der Kläranlage Ölwehrgeräte eingesetzt; dabei konnten über 30.000 Liter Öl aufgenommen werden. Ein großer Teil des Öls stammte dabei aus den Kellern, in denen Heizöltanks geflutet worden oder umgestürzt waren. Um die Einsatzkräfte möglichst schnell für neue Anforderungen frei zu bekommen, wurden diese Einsatzstellen von Anfang nur soweit von der Feuerwehr abgewickelt, als der Wasserstand einerseits abgesenkt wurde, damit kein Öl mit nach draußen gelangen konnte, zum Anderen im Anschluss nicht zu viel Wasser von Spezialfirmen aus dem ganzen Bundesgebiet abgesaugt werden musste: Deren Saug-Pump-Fahrzeuge brachten das Öl-Wasser-Gemisch direkt zur Kläranlage und entleerten es in das dortige Regenüberlaufbecken. So standen die Spezialfahrzeuge sehr schnell wieder an einer anderen Einsatzstelle zur Verfügung. Aus dem Becken wurde das Öl von der Feuerwehr mit drei MopMatic-Wringern und einem schwimmenden Skimmer separiert und aufgenommen, um dann später von Fachfirmen entsorgt zu werden. Eine interessante Erfahrung war dabei, dass MopMatic-Wringer Samstag nachmittags ab 16.00 Uhr in deutschen Kläranlagen nicht mehr funktionieren: Offensichtlich ist das immer noch die beliebteste Badezeit bei den Bürgern, und der hohe Seifenanteil senkt die Oberflächenspannung des Abwassers derart, dass es an den Vlieskordeln nicht mehr anhaftet und kein Öl mehr abgeschöpft werden kann. Vielmehr kommen die Kordeln dabei blitzsauber aus dem Wasser...
Vom THW wurde dabei der Füllstand des Beckens mit "Hannibal"-Pumpen auf einem konstanten Niveau gehalten.
Auch bei der Müllentsorgung halfen unsere Einsatzkräfte tatkräftig mit, um die Seuchengefahr zu unterbinden.
Provisorische Müllumladestationen am Stadtrand:
Allein durch die Aktiven der FF Baiersdorf, Hagenau, Igelsdorf und Wellerstadt wurden in den beiden Wochen nach dem Unglück ehrenamtlich weit über 1100 Einsätze mit mehr als 9000 Einsatzstunden erbracht.
Ein besonderer Umstand war auch, dass die Feuerwehren der Stadt selbst Betroffene waren, mit einer Schadenssumme von allein über einer dreiviertel Million Euro an Ausrüstung und Gebäuden. Dazu kommt, dass der Großteil der historischen Dokumente der Feuerwehr, die im Schließfach in einer örtlichen Bank sicher gewähnt wurden, ein Opfer des Wassers geworden und unwiderbringlich zerstört worden sind. Nur einige wenige wichtige Unterlagen konnten mit hohem finanziellen Aufwand des Feuerwehrvereins durch eine Spezialfirma restauriert werden.
Das Ende von Florian Baiersdorf 79/2...
Eine weitere, für viele Bürgerinnen und Bürger schmerzliche Erfahrung war der lange Kontakt mit dem kontaminierten und hochinfektösen Wasser in den Kellern. Selbst kleinste Rißwunden und Kratzer in der Haut entzündeten sich in den folgenden Tagen. Zahlreiche Patienten mit anfänglich unbeachteten Bagatellverletzungen mussten wochenlang stationär in der Universitätsklinik Erlangen wegen Phlegmonen und anderen Wundinfektionen behandelt werden, und so manche(r) schrammte knapp an einer Amputation von Arm oder Bein vorbei...!
So mancher Pumpe machte das Hochwasser auch Probleme. Viele Feuerlöschkreiselpumpen wurden durch das sandhaltige Wasser geschädigt, Manometer fielen aus, Laufräder mussten erneuert werden. Wir können wirklich nur jeder Feuerwehr empfehlen, Schmutzwasser nur mit speziellen Schmutzwasserpumpen zu fördern. Aus diesem Grund hat die FF Baiersdorf auch fünf entsprechende Pumpensätze für künftige Hochwassereinsätze in Dienst gestellt.
Dass die Katastrophe, die allein in der Stadt Baiersdorf einen Gesamtschaden von rund 86 Millionen Euro verursachte, von einer Feuerwehr allein nicht bewältigt werden konnte, dürfte jedem klar sein. Wir möchten an dieser Stelle noch einmal Dank sagen für die Unterstützung, die uns in den ersten Stunden und Tagen zuteil wurde: 50 Freiwillige Feuerwehren, 3 Berufs- und 3 Werkfeuerwehren mit 900 Einsatzkräften, 30 THW-Ortsverbände aus ganz Bayern mit 425 Helfern, 140 Rettungsdienstmitarbeiter, rund 100 Polizisten sowie zahlreiche Behörden und Spezialfirmen waren im Einsatz, um schnell und unbürokratisch zu helfen. Auch die zahlreichen Spender seien an dieser Stelle dankenswerter Weise erwähnt.
Euch allen ein herzliches „Vergelt´s Gott!“